Zivilcourage

Mutiges Handeln

Unter Zivilcourage verstehen wir ein mutiges Handeln, mit dem jemand seinen Unmut über etwas ohne Rücksicht auf mögliche Nachteile für sich selbst zum Ausdruck bringt.

 

Zivilcourage bedeutet nicht wegzuschauen, sondern sich einzumischen. Die Soziologin Gertrud Nunner-Winkler (2002) nennt zwei wesentliche Merkmale von Zivilcourage: Die Handlung orientiert sich an demokratisch-zivilgesellschaftlichen Grundwerten und erfordert persönlichen Mut, weil sie durchaus mit gewissen Risiken für die handelnde Person verbunden ist.“ (Quelle: https://www.psychologie.uzh.ch/de/bereiche/sob/motivation/zivilcourage/zivilcourage.html)

 

„Zivilcourage, angesichts von Gewalt, Rassismus und Rechtsextremismus zunehmend in der Öffentlichkeit geforderte Tugend; sie beinhaltet Verhaltensweisen, wie eine eigene Meinung gegen eine Mehrheit zu vertreten oder dem Druck nach Konformität zu widerstehen. Personen, die Zivilcourage zeigen, empfinden sich als autonom (Autonomie), haben Wissen um alternative Handlungsmöglichkeiten (Kontrolle) und weisen meist soziale Kompetenz auf.“ (Quelle: https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/zivilcourage/17253)

 

Diese beiden Definitionen der Zivilcourage zeigen, dass Mut zum Handeln gefordert ist.

 

Es gibt sehr unterschiedliche Möglichkeiten der Zivilcourage. Beispielsweise, einem Kind zu helfen, das sich verlaufen hat und sucht seine Eltern. Die Beobachtung eines Fahrrad-Diebstahls und die Polizei zu informieren.

Einem Menschen, der leblos auf der Straße liegt, erste Hilfe zu leisten. Bei einer körperlichen Auseinandersetzung, andere aufzufordern, dass der Täter vom Opfer ablässt.

 

Leider ist es in der Realität so, dass Menschen sich nicht betroffen fühlen und wegschauen. Oder, bei der Beobachtung einer gewalttätigen Auseinandersetzung, die Gefahr für Leib und Leben gefährdet sehen und den Tatort verlassen, ohne zu helfen.

 

Selbst wenn Menschen emotional intelligent sind, empathisch und auch den Willen zur Unterstützung als notwendig betrachten, kann die höhere Priorität des Eigenschutzes dazu führen, dass die Hilfe ausbleibt.

 

Andererseits gibt es Menschen, die ohne Rücksicht auf sich selbst jederzeit die Bereitschaft zur Zivilcourage haben.

 

Gerade die Zivilcourage setzt bestimmte Eigenschaften voraus, die es einem Menschen möglich machen, zu helfen: Selbstbewusstsein und Verantwortungsbewusstsein.

 

Die Frage nach dem Mut zur Hilfe gilt für Erwachsene ebenso wie für Kinder. Die Gewaltbereitschaft an Schulen nimmt zu. Dazu gehören nicht nur körperliche Auseinandersetzungen, sondern auch beispielsweise das Mobbing oder auch die Hetze in den sozialen Medien.

 

Wenn wir eine Veränderung der Gesellschaft dahingehend wünschen, dass wir unsere zwischenmenschlichen Beziehungen positiver gestalten möchten, so ist die Zivilcourage ein sehr wichtiger Baustein. Denn, ohne Zivilcourage entsteht Gleichgültigkeit gegenüber der Not unserer Mitmenschen. Wir schauen weg und überlassen anderen sich selbst.

 

Deshalb ist es wichtig, dass bereits Kinder lernen, was Zivilcourage ist und welche Möglichkeiten es gibt, sich für andere Menschen einzusetzen, ihnen Hilfe anzubieten.

 

Wir müssen darüber nachdenken, dass bereits in Schulen konkret diese Thematik erörtert wird und auch praktische Übungen stattfinden.

 

Zudem müssen bereits die Eltern mit der Erziehung den Grundstein legen. Hier ist entscheidend, dass Kindern sowohl ein ausreichendes Selbstbewusstsein als auch Verantwortungsbewusstsein und der Gerechtigkeitssinn auf den weiteren Lebensweg mitgegeben werden.

 

Veränderungen der Gesellschaft

 

Die sehr offensichtliche Zunahme der Gewaltbereitschaft und von Mobbing-Attacken, dem Denunzieren von Menschen erfordert mehr denn je, dass Menschen die aktive Bereitschaft zum mutigen Handeln entwickeln.

 

Das Wegschauen wird die Bereitschaft, anderen Menschen einen Schaden zuzufügen, erhöhen. Wenn Gewalttäter nicht erkannt und deren Fehlverhalten nicht geahndet werden, so wird genau dieses aggressive und gewaltbereite Verhalten gefördert.

 

Je mehr Menschen zur Zivilcourage bereit sind, desto größer sind die Chancen, dass dem Einhalt geboten wird.

 

Diese Zivilcourage ist überall notwendig. Ob privat, am Arbeitsplatz, im öffentlichen Raum. Es gibt keine Grenzen, denn überall bestehen latente, diesbezügliche Gefahren.

Zwischenmenschliche Beziehungen

 

Die zunehmende und offensichtliche Erkenntnis, dass die Gewaltbereitschaft gegenüber den Mitmenschen zugenommen hat, ist wichtig. Noch bedeutsamer ist das aktive Handeln, um diesen Prozess in eine andere Richtung zu verändern.

 

Auch die Feststellungen, dass die Streitigkeiten zwischen Menschen immer mehr zunehmen und auch eskalieren, bedarf des Handelns und nicht des Wegschauens.

 

Es gibt viele Gründe für zunehmende Gewaltbereitschaft. Einerseits können soziale Aspekte dafür verantwortlich sein, wie zum Beispiel die zunehmende Armut, auch Diskriminierung, Ungerechtigkeit, Frust, Hass, Aggression.

 

Die Gründe sind auch in der Persönlichkeit von Menschen zu finden, beispielsweise traumatische Erlebnisse und psychische Erkrankungen.

 

Zum anderen soziale Einflussfaktoren wie familiäre Gewalt und Kindheitserfahrungen.

 

Aber auch kulturelle Hintergründe, wenn bestimmte Normen die Gewalt fördern.

 

Letztendlich ist jede Form von Gewalt die Ausübung von Macht gegenüber anderen Menschen. Damit verbunden ist die Risikobereitschaft diese Gewalt anzuwenden, um andere Menschen zu beherrschen und zu kontrollieren. Andererseits auch, um Anerkennung zu erlangen.

 

Auch der Aspekt der Diskriminierung darf nicht vergessen werden. Wenn beispielsweise Menschen, die aufgrund ihrer äußeren Erscheinung zu erkennen geben, dass sie aus einem anderen Kulturkreis stammen und gegenüber anderen Menschen benachteiligt werden, so entsteht als Gegenreaktion möglicherweise Wut und Hass. Daraus kann die Neigung zur Gewaltbereitschaft entstehen.

 

Die Gruppendynamik kann durch den Zusammenschluss von gewaltbereiten Menschen zu einem Verhalten führen, dass die Bereitschaft zur Gewalt als Gruppe fördert. Damit verbunden ist auch oftmals lapidar formuliert der „Kick“.

 

Wenn Menschen sich einer Gesellschaft nicht zugehörig fühlen, ausgegrenzt und als minderwertig angesehen werden, so fördert das tendenziell die Gruppenbildung, die Entstehung von Hass und Wut auf die übrige Gesellschaft und damit auch die Gewaltbereitschaft.

 

Es geht viel weniger um irgendeine Schuldfrage, sondern vielmehr darum, wie es möglich ist, dass wir die menschliche Gesellschaft nicht spalten und welchen Möglichkeiten haben wir als Einzelne, vor allem, welche Maßnahmen sind dringend notwendig.

 

Zivilcourage bedeutet nicht nur, dass wir als einzelne Menschen den Mut dazu haben, in Not geratenen Menschen zu helfen, sondern insbesondere auch, dass wir insgesamt als Gesellschaft erkennen, wie wichtig und notwendig es ist, eine neue zwischenmenschliche Basis des Zusammenlebens zu definieren.

 

Zivilcourage als Basis für eine neue Gesellschaft?

 

Wenn wir die Herausforderungen und Probleme von einzelnen Menschen betrachten, so müssen wir bedenken, dass daraus Schwierigkeiten für die menschliche Gemeinschaft als Ganzes entstehen können.

 

Wir denken zurück:

O Arm vs. Reich

O Soziale Ungerechtigkeiten

O Ausländerfeindlichkeit

O Veränderungen am Arbeitsmarkt

O Der Druck auf die Menschen nimmt zu

O Angst vor einem Krieg

O Psychoterror, Mobbing

O Fake-News

O Fragliche politische Entscheidungen

O Angst vor Arbeitslosigkeit

O Existenzangst

O Angst vor sozialem Abstieg

O Ausgrenzung aus der Gesellschaft

 

 

Es ist ganz einfach zu erkennen, dass wir alle davon betroffen sein können und eben nicht nur einzelne Menschen.

 

 

Wir müssen dringend einen anderen zwischenmenschlichen Umgang pflegen, indem wir erkennen, dass nicht unsere menschlichen Unterschiede für das Leben entscheidend sind, sondern zunächst das, was allen Menschen gleich ist.

 

Das lässt sich in wenige Worte fassen: ein langes Leben, Schäden von sich abwenden, Gesundheit, Wohlbefinden, Glück, Zufriedenheit, eine gesicherte Existenz, Gerechtigkeit, soziale Verbindungen, Respekt, Toleranz.

 

Selbstverständlich unterscheiden sich Menschen. Die Gründe liegen beispielsweise auf die Persönlichkeit bezogen, die kulturellen Hintergründe, die Lebenserfahrungen, die Bildung, die finanziellen Möglichkeiten, Werte und Überzeugungen.

 

Abzuwenden ist, dass diese Unterschiedlichkeiten dazu führen können, dass zwischenmenschliche Auseinandersetzungen die Folge sind.

 

Deshalb sind die politisch Verantwortlichen gefordert, bestimmte Hindernisse abzubauen. Denn der sogenannte „soziale Sprengstoff“ führt zu gesellschaftlichen Spannungen und Konflikten. Das destabilisiert eine Gesellschaft, fördert zwischenmenschliche Probleme, kann zu Unruhen in einer Gemeinschaft führen. Das bedeutet, dass die gesetzlichen Regelungen, so zu treffen sind, dass soziale Ungerechtigkeiten nicht ständig die Masse der Menschen treffen, sondern das Solidarprinzip tatsächlich auch gesetzgeberisch praktisch umgesetzt wird.

 

Besonders gefordert sind die politisch Verantwortlichen hier zu handeln. Es reicht nicht mehr aus, dass dies zwar erkannt wird, aber das Handeln unterlassen wird. Wenn das Handeln ausbleibt und sämtliche Illusionen der Menschen auf eine positive Ausgestaltung des Bildungssektors, des Arbeitsmarktes und der Sozialpolitik zerplatzen wie Seifenblasen, werden wir die gesellschaftlichen Spannungen in der Zukunft sehr viel deutlicher zu spüren bekommen als je zuvor.

 

Wenn dann von politischer Seite jeglicher Couleur die Zivilcourage und die ehrenamtliche Tätigkeit als Lösungsansatz mit psychologischen Tricks versucht wird den Menschen zu verkaufen, um über eigenes Unterlassen hinwegzutäuschen, so müssen sich die Damen und Herren nicht über die sehr dramatischen Veränderungen der Gesellschaft wundern.

 

Und trotzdem…

 

… wir können und dürfen uns nicht darauf verlassen, dass die politischen Entscheidungsträger endlich aktiv werden, auf wenn sie immer wieder beteuern, dass sie verstanden haben.

 

Wir Menschen unterscheiden uns, zweifellos. Aber, was viel wichtiger ist, wir haben sehr viel mehr Gemeinsamkeiten.

 

Und auf dieser Grundlage der Gemeinsamkeiten lassen sich auch Wege finden, die uns stark machen, die uns Chancen und Möglichkeiten der Veränderungen bieten.

 

Wenn die menschliche Gemeinschaft wieder funktionsfähiger werden soll, und das Verhältnis miteinander auf der Grundlage von Vertrauen, Harmonie, gegenseitiger Unterstützung und Verständnis positiver gestaltet werden soll, müssen alle Menschen sich aktiv daran beteiligen.

 

Dieser Weg beginnt im Kindesalter und endet am letzten Tag, an dem Tag, wenn wir die letzte Tür unseres Lebens öffnen und endgültig hinter uns schließen.

 

Und zu diesem Weg gehört auch die Zivilcourage, also auf andere Menschen zu achten, ihnen zu helfen. Diese Unterstützung ist nicht immer damit verbunden, dass deren Leben in Gefahr ist. Manchmal sind es Kleinigkeiten, ob nun Kindern den Weg nach Hause zeigen, älteren Menschen behilflich zu sein, einfach einen anderen Menschen die Türe aufzuhalten und sie hereinzubitten. Ebenso die Kolleginnen und Kollegen zu unterstützen. Leistung ohne Gegenleistung. Daraus entwickeln sich gegenseitiges Verständnis und Vertrauen.

Das hört sich sehr einfach an, aber es hat sehr große Wirkungen.

 

Wir können als Teile der menschlichen Gemeinschaft auf jeder Ebene dazu beitragen, dass wir neue, bessere Wege gehen und anderen Menschen zeigen, wir respektieren und akzeptieren euch. Ihr gehört dazu, werdet nicht ausgegrenzt. Wir sind gegen Hass und Wut. Unser Ziel ist es, dass die Menschen sich nicht weiter voneinander entfernen, sondern aufeinander zugehen.

 

Auch das ist Zivilcourage.