Perfektionismus

Perfektionismus ade!

 

Unsere Gesellschaft ist inzwischen auf einem Weg angelangt, auf dem reine Äußerlichkeiten wichtiger sind als das Herz eines Menschen.

Es geht häufig darum, wer hat das tollste Auto, das schönste Haus mit Pool, das meiste Geld auf dem Bankkonto. Und auch, wer sieht am besten aus. Aber Perfektionismus findet sich auch im „normalen“ Leben. Am Arbeitsplatz, beim gemeinsamen Hobby.

 

Müssen wir perfekt sein?

Gleich kommt mir in den Sinn: Perfektionismus bedeutet auch sehr hohe Ansprüche! Was verbindest du mit Perfektionismus?

Perfektionisten neigen dazu, dass sie sehr hohe Ansprüche haben! Sie wollen alles hervorragend erledigen, niemals Fehler machen. Das sind sehr hohe Ziel! Aber, meiner Meinung nach, überhaupt nicht zu realisieren.

 

Aber warum neigen Perfektionisten dazu?

Einige vermuten, dass ihre Mitmenschen genau das von ihnen erwarten! Die andere Gruppe hat eine sehr hohe Erwartungshaltung gegenüber sich selbst und anderen Menschen. Das sind meine Beobachtungen zum Perfektionismus, ganz gleich, ob auf privater oder beruflicher, und auch zwischenmenschlicher Ebene!

 

Ich habe festgestellt, dass häufig der Grundstein bereits in der Kindheit angelegt worden ist und der Perfektionismus im späteren Leben weiter etabliert wurde. Manche Menschen entwickeln den Perfektionismus erst im Erwachsenenalter!

Meine Eltern hatten die Vorstellung, dass es mir einmal besser gehen sollte (typisch für diese Eltern-Generation!). Damit verbunden waren auch entsprechende Erziehungsmaßnahmen und die Etablierung von Glaubenssätzen, wie zum Beispiel: „Du musst in Schule gut sein“.

„Wenn du in der Schule nicht aufpasst wird nix aus dir, dann bekommst du keine Arbeit.“, „Schau, was die Leute denken, wenn du faul bist.“ „Reiß Dich zusammen und gib immer dein allerbestes.“ „Du musst besser sein als die anderen, dann hast du Vorteile“ und so weiter!

Die Bildung solcher Glaubenssätze wird in der Regel dazu führen, dass sich ein perfektionistisches Denken und Handeln etabliert werden kann. Auch andere familiär-erzieherische Verhaltensweise führen dazu.

Beispielsweise, wenn eine Mutter ein Kind ständig wiederkehrend für sein Verhalten kritisiert oder demütigt, wird es sein Verhalten verändern, um der Mutter zu gefallen. Schließlich ist das Kind abhängig von der Mutter und möchte zudem ihre Liebe und Zuneigung erfahren. Also passt es sich an.

Immer wiederkehrende Anpassungsprozesse können das perfektionistische Verhalten ankurbeln, weiterentwickeln und chronifizieren. Es muss nicht die Kindheit als Fundament sein. Wie schon angedeutet kann sich der Perfektionismus auch erst im Jugend- oder Erwachsenenalter herausbilden.

 

Woran liegt das?

Schauen wir uns die gesellschaftliche, insbesondere auch, die Entwicklungen im Berufsleben an! Der Druck auf die und innerhalb der Gesellschaft, auch auf kleinster Ebene, ist enorm gestiegen.

Wichtiger als je zuvor sind das Aussehen, eine Marken-Kleidung, das neueste Smartphone, das beste Auto, das tollste Haus mit Pool, vielleicht noch ein Boot und Markenuhr dazu. Wer das nicht hat, ist gesellschaftlich nicht anerkannt! Und, das geht schon bei den Kindern los!

Wenn bereits Kinder mit diesen, ich nenne sie mal Ideologien, gefüttert werden, deren Denken, vielleicht ausgehend von den Eltern, direkten Einfluss hat, wird sich unsere Gesellschaft in den nächsten Jahren noch einmal sprunghaft in die Richtung perfekt und makellos sein zu müssen, verändern.

Alle diejenigen, die anders sind oder sich nicht anpassen, werden aus dem gesellschaftlichen System ausgeschlossen und gemieden. In diesem Wissen, und machen wir uns nichts vor, werden einige Menschen auf diesen „Zug aufspringen“, um ein Teil dieses Gesellschaftssystems zu werden, beziehungsweise zu bleiben.

Dazu tragen maßgeblich auch die SocialMedia-Einflüsse bei.

Denn gerade diese Medien, die die Kinder sehr aktiv nutzen, wird genau das vermittelt, was ich zuvor beschrieben haben. Teilweise laufen dort Aktionen, die kaum zu glauben sind. Kinder werden zu Aktionen, Verhaltensregeln oder auch Maßnahmen fast provoziert, ganz nach dem Motto: wenn du hier nicht mitmachst, bist du ein Looser und gehörst nicht mehr dazu.

 

Offene Mobbing-Attacken in SocialMedia gehören auch zu solchen Manipulationsinstrumenten, die einen sehr großen (negativen) Einfluss auf das Wohlbefinden der Kinder haben. Und, das ganze steigert sich über das Jugendalter bis zum Erwachsenenalter.

Das führt dann zu einer Chronifizierung von absurden und kaum mehr nachvollziehbaren Verhaltensmustern. Wichtig ist also, dass wir tatsächlich das gesamte Bild unserer Gesellschaft sehen.

Denn, dieses Bild hat maßgebliche Auswirkungen auf das Modell des einzelnen Menschen, woraus sich sein Weltbild definiert.

Wenn nun verschiedene Kindheitserlebnisse, verbunden mit gesellschaftlichem Denken, dem damit verbundenen Druck zu negativen Effekten führen, dann gehört die Herausbildung des Perfektionismus nach meiner festen Überzeugung dazu!

 

Was passiert?

Die Auswirkungen des perfektionistischen Verhaltens auf die einzelnen Menschen sind unterschiedlich! Gesundheitsförderlich ist Perfektionismus auf Dauer nicht! Manche Menschen entwickeln Zwangshandlung, andere leiden an Bulimie (Essstörungen), wiederum andere entwickeln Angststörungen/Depressionen und vieles mehr.

Je höher das Anspruchsdenken, desto stärker ist der Perfektionismus gegenüber sich selbst und anderen ausgeprägt. Bei manchen Menschen begründet sich der Perfektionismus in der eben beschriebenen Angst vor dem gesellschaftlichen Ausschluss. Dazu gehört weitestgehend auch die Versagensangst, die Verlustangst, die Angst vor dem Scheitern.

Letztlich wollen wir alle, dass uns die Menschen lieben, achten, respektieren und wertschätzen. Der Verlust dessen macht uns Angst!

Ich kenne solche Perfektionisten und das einzige und unablässige Denken dreht sich um deren eigene Persönlichkeit. Denn ihr persönliches Bild, vor allem in der Öffentlichkeit, ist ihnen wichtig. Immer makellos, fehlerlos, es dreht sich alles um sie selbst.

 

Ein Beispielfall aus dem Leben.

Nachdem der Mann erkannt hat, dass er perfektionistisch war und immer sein Idealbild nach außen erhalten wollte, hat er mit einem Mal, von dem einen Tag auf den anderen einen heftigen Rückschlag erlitten. Es galt bis dahin überall als ein Vorzeige-Mensch!

Nachdem er bei seinem Arbeitgeber einen neuen, verantwortungsvolleren Job erhalten hatte, in einem großen Unternehmen, hat er mit seinem Perfektionismus genauso weitergemacht. Er konnte nicht anders. Um es vorwegzunehmen, sein Verhalten hat im „den Kopf gekostet“. Ihm unterstellt waren etwa 50 MitarbeiterInnen, untergliedert in verschiedene Teams, mit unterschiedlichen Teilaufgaben. Bisher hat das Team unter seiner Vorgängerin super funktioniert, sie harmonierten prächtig und es lief! Da er als Perfektionist auch perfekte MitarbeiterInnen haben wollte, entwickelte er daraus eine perfide Strategie.

 

Einerseits etablierte er seinen Kontrollwahn, indem sich von allen MitarbeiterInnen täglich informieren ließ.

Jeder Arbeitsschritt wurde neu organisiert und bis ins Kleinste geplant, alles nach seinen Vorstellungen. Kritik und Vorschläge waren unerwünscht.

Alle MitarbeiterInnen wurden in dieses Kontrollsystem eingebunden. Ade Eigenverantwortung und Vertrauen! Er wollte über alles und jeden eine absolute Kontrolle!

Darüber hinaus machte er konkrete Vorgaben wie und was und wann im Detail erledigt werden musste. Zudem überwachte er über seinen eigenen Kontrollmechanismus bis in Detail. Wenn seine MitarbeiterInnen ein Projekt abgeschlossen haben, setzte er immer den „Rotstift“ an und korrigierte, verbesserte und wusste alles besser.

Du kannst Dir vorstellen, dass dieses Verhalten seine MitarbeiterInnen sehr schnell und sehr nachhaltig demotivierte, ja, schlichtweg zum Verzweifeln brachte.

 

Nun denken wir etwas zurück. Wir haben gelesen, dass jeder Mensch in seinem Modell der Welt lebt. Jeder versucht nach seinen Möglichkeiten das Beste zu geben. Niemand ist perfekt. Wir alle machen Fehler! Auch dieser oben beschriebene Chef! Aber, wir sollten genau hinschauen, ob ein Chef, der in einem Team arbeitet, über sein persönliches Modell-Denken oder seiner Verhaftung im Modell, nicht auch in der Lage sein muss, über sein Modell hinaus zu denken und zu agieren? Hier ist Teamfähigkeit gefragt!

 

Gerade ein Chef muss in der Lage sein, dass gerade in einem Team die Wellenlänge stimmt oder hergestellt wird. Die Chemie muss stimmen.

Das hat dieser Chef gänzlich außer Acht gelassen, weil er in seinem Perfektionismus so sehr gefangen war, dass sein Ideal-Bild, seine Vorstellungen, ja sein Perfekt-Sein-Wahn ihm den Blick für andere Menschen verschlossen hat. Wie ging es weiter?

Die Arbeitsleistung, die Qualität seines Teams ist innerhalb kurzer Zeit abgestürzt. Mehrfach hat er verbal seine MitarbeiterInnen beleidigt. Er war nicht mehr tragbar für das Unternehmen. Er wurde fristlos gekündigt.

Du erkennst, wie schwierig das Leben für Perfektionisten werden kann. Zugegeben haben Perfektionisten sehr viele Qualitäten! Also, ganz klar, nicht nur Nachteile.

Ich formuliere mal aus meiner Sicht folgende Qualitäten, die einen Perfektionisten auszeichnen: Pflichtbewusstsein! Sehr ehrgeizig! Durchweg gewissenhaft. Das Streben nach Erfolg.

Für dich zum Nachdenken, folgende Frage:

Schau mal in deinen Alltag, erkennst du die Perfektionisten. Vielleicht kennst du jemanden persönlich? Achte auch mal auf dein Verhalten!

 

Denk- und Handlungsweisen von Perfektionisten

Ich strebe immer das Absolute an. Halbe Sachen gibt es bei mir nicht!

Wenn ich eine Aufgabe übernehme, dann gebe ich 100 Prozent, darunter läuft bei mir nichts.

Ich erwarte von jedem, mit dem ich zusammenarbeite 100% zu geben, sonst sehe ich rot.

Ich selbst bin es mir schuldig, immer alles zu geben und das ohne Fehler.

Menschen, die nicht fehlerfrei arbeiten und alles geben, sind halt Versager und Nichtskönner.

Niemals könnte ich mir verzeihen etwas nur halbherzig zu machen, entweder gebe ich alles, erledige alles perfekt oder fange erst gar nicht an.

Versager haben keine Lobby, sie werden von niemandem ernst genommen.

Nur perfekte Menschen passen in diese Gesellschaft.

Da ich alles fehlerfrei und perfekt erledigt, bekomme ich auch die verdiente Anerkennung anderer Menschen.

Das sind nur Beispielsätze, aber du erkennst vielleicht die perfektionistische Haltung sehr deutlich!

 

Zum Abschluss geht es darum, was Perfektionisten tun können.

Und wenn du auch Perfektionist sein solltest, was kannst du unternehmen, um dein Leben leichter zu machen.

 

Das eigenes Leben durchleuchten, ob möglicherweise eine perfektionistische Haltung ein Teil deines Lebens bestimmt.

Die Gründe dafür zu erforschen, ist der nächste Schritt!

Frage auch mal andere Menschen, ob sie dich als Perfektionisten sehen.

Darüber nachzudenken, welche negativen Auswirkungen der Perfektionismus auf dich selbst und deine Umgebung hat!

Ernsthaft folgendes umsetzen: Die nächste Herausforderung locker und entspannt angehen. Privat und beruflich. Das bedeutet nicht, seine Aufgabe fehlerhaft und mangelhaft zu beenden.

Keine Erwartungshaltung formulieren, sondern ohne Zwang und Druck an die Aufgaben herangehen.

Vor allem nicht darüber nachdenken, was andere Menschen über dich denken, das ist nicht das entscheidende!

Ändere deinen Blick, deine Einstellung, deine Ziele, deine Motivation. Ziel ist es nicht perfekt zu sein, sondern einerseits zwar das bestmögliche zu geben, aber gleichzeitig das Leben zu genießen und das mit Zufriedenheit. Perfektionisten sind sehr selten zufrieden!

Und bedenke: Kritik ist immer FEEDBACK!