Wahrnehmung

Wahrnehmung vs. Interpretation

Sehr bedeutsam für unser gesamtes Leben ist unsere Wahrnehmung. Alles das, was wir aus unserer Umwelt aufnehmen und wie wir es bewerten ist eine Basis für alles das, was wir daraus machen.

Die Wahrnehmung erfolgt über unsere Sinne: Augen, Ohren, Gefühle, Riechen, Schmecken. Die unendlich vielen Informationen in Form von Bildern, Geräuschen, dem Fühlen usw., die uns tagtäglich erreichen, werden aufgenommen, verarbeitet und gespeichert. Unsere Wahrnehmung gelangt jedoch an bestimmte Grenzen! Die uns zur Verfügung stehenden Aufnahmemöglichkeiten sind begrenzt, so dass es unmöglich für uns ist, alle Informationen vollständig aufzunehmen. Es finden „Filterprozesse“ statt. Das habe ich bereits in diesem Buch ausführlicher beschrieben. Wichtig ist an dieser Stelle, dass wir nur einen reduzierten Anteil der aufgenommenen Informationen verarbeiten können, die dann abgespeichert werden.

Von der Wahrnehmung müssen wir sehr deutlich die Interpretation unterscheiden!

Wenn wir interpretieren, so deuten wir eine Wahrnehmung um.

Wir geben der Wahrnehmung eine andere Bedeutung als sie sich in der Realität tatsächlich zeigt, indem wir aus unseren Lebenserfahrungen, dem Erlernten, unserem persönlichen Modell der Welt die Wahrnehmung „mit Zugaben schmücken“, und daraus eine (persönlich) interpretierte Wahrnehmung definieren. Beispiel: Dein Freund sitzt auf einem Stuhl, nach vorne gebeugt, starrt vor sich hin und spricht kein Wort mit Dir. Deine Erfahrung/Dein Weltmodell: Wer auf einem Stuhl sitzt, nach vorne gebeugt vor sich hinstarrt, kein Wort spricht, der hat irgendein Problem und grübelt, hat Angst, vielleicht Sorgen = Deine Interpretation

Die Realität: Dein Freund sitzt da so, weil er gerade darüber nachdenkt, wie er ein berufliches Problem lösen kann, das ihm gerade im Kopf schwirrt. Das Projekt, das ihm anvertraut wurde, ist kompliziert und umfangreich. Im Moment kann er das nicht verdrängen, es belastet ihn gedanklich. Folgen deiner Interpretation: Nehmen wir an, dass du es bei deiner Interpretation belassen würdest, könnten sich Folgen ergeben. Vielleicht bist du dann sauer, reagierst ungehalten, machst ihm möglicherweise Vorwürfe! Und das unberechtigt.

Deshalb: Frage nach, um entweder, deine Interpretation zu widerlegen oder zu bestätigen. Im vorliegenden Fall würde deine Interpretation widerlegt, indem dein Freund dir den wahren Grund erklärt.

Wir Menschen neigen dazu ein Erlebnis, einen Sachverhalt zu interpretieren, weil wir aus dem Fundus unserer Lebenserfahrungen, unserem Modell der Welt, zum einen vergleichbare Erfahrungen heraussuchen und diese auf die Wahrheit hin prüfen. Kommen wir zu dem Ergebnis: Ach ja, diese Situation kenne ich, war bisher schon oft genauso, also schlussfolgern wir vielleicht fehlerhaft! Denn, jeder Einzelfall kann anders sein kann als die bisherigen Erfahrungen beziehungsweise vergleichbare Sachverhalte.

Indem wir interpretieren, kann es durchaus dazu kommen, dass wir einzelne Erlebnisse pauschalisieren oder generalisieren.

Beispiel

Peter ist einmal in seinem Leben von einem Hund gebissen worden.

Wahrnehmung: Der Hund hat Peter gebissen.

Interpretation: Alle Hunde beißen.

Solche Generalisierungen oder Pauschalisierungen können zu erheblichen Problemen oder Einschränkungen in unserem Leben führen.

Wir begrenzen uns, weil wir einen Vorfall (Hund hat gebissen) auf alle Hunde beziehen. Also werden wir höchstwahrscheinlich niemals Hunde mögen.

Ein weiteres Beispiel

Eine Frau hat mit einem Mann schlechte Erfahrungen gemacht, weil er sie ausgenutzt hat.

Wahrnehmung: Mein Mann hat mich ausgenutzt.

Interpretation: Alle Männer nutzen mich aus.

Folge: Diese Frau wird wohlmöglich keinem Mann mehr vertrauen.

Wie definieren oder gestalten unsere Wahrnehmungen um und indem wir „Zutaten“ aus unserem Modell der Welt hinzufügen und aus unseren Lebenserfahrungen heraus Schlüsse ziehen. Hinzukommt, dass wir ein oder zwei unserer Sinne als bevorzugte Wahrnehmungskanäle nutzen. Somit bleibt die Wahrnehmung unvollständig, unpräzise und weichen von der realen Welt ab.

(Zu bedenken ist auch, dass manche Menschen aufgrund einer Erkrankung beziehungsweise Einschränkung, gar nicht in der Lage sind, alles wahrzunehmen. Wir gehen in den Beispielen davon aus, dass solche Erkrankungen oder Einschränkungen nicht vorliegen.)

Darüber hinaus haben wir bestimmte Vorstellungen, Ideen, Wünsche und Ziele, die wir in Einklang bringen wollen mit der Welt. Das bedeutet, dass wir versuchen, die Außenwelt so anzupassen, dass sie unseren Ideen, Wünschen und Vorstellungen entspricht. Kurzum: Es muss so laufen, wie wir uns das so vorstellen und wünschen.

 Beispiel

Jürgen hat das Ziel, endlich Abteilungsleiter zu werden. Er ist verlässlich, motiviert, macht Überstunden und hat schon etliche Projekte betreut. Die freiwerdende Stelle AbteilungsleiterIn wird ausgeschrieben. Jürgen schickt die Bewerbung los und ist fest davon überzeugt, ja, sogar sicher, dass er die Stelle bekommen wird.

Die Bewerbungsgespräche sind abgeschlossen. Auch drei weitere BewerberInnen werden sich vorstellen.

Jürgen passt das gar nicht und wettert innerlich gegen die anderen BewerberInnen, wie untauglich sie alle im Gegensatz zu ihm sind.

Nachdem die Bewerbungsgespräche gelaufen sind, hofft Jürgen immer noch, schließlich ist er (aus seiner persönlichen Sicht) die TOP-Besetzung. Im Kopf schmiedet er schon Pläne, schließlich wird sein Gehalt erheblich steigen.

Er steigt schon in sein neues Auto ein und macht endlich die ersehnte lange Reise nach Australien. Leider ist das Ergebnis ganz anders.

Er bekommt die Stelle nicht. Der Personalleiter begründet Jürgen dies auch. Schließlich sei er noch recht unerfahren im Bereich der Personalführung und seine Mitbewerberin hat schon ausreichende Erfahrungen sammeln können. Gerade in der Abteilung sei Führungsverantwortung und Führungsstärke sehr wichtig.

Es wurde ihm nahegelegt verschiedene Seminare zu besuchen, um sich dahingehend weiterzubilden. Somit habe er die Chance in Zukunft sich erfolgreicher zu bewerben.

Wie reagiert Jürgen? Er interpretiert, dass er ungeeignet ist und die Personalleitung ihm diese Aufgaben nicht zutraut. Er ist nicht nur enttäuscht, sondern reagiert ungehalten und ist beleidigt. Und beabsichtigt sogar alles hinzuwerfen, weil das Ergebnis nicht seinen Vorstellungen und Ideen nicht entsprochen hat.

 

Was könnte eine bessere Reaktion sein?

Er wäre besser beraten gewesen, wenn er den Hinweis der Personalleitung als FEEDBACK angenommen hätte.

 Auf seinen Wünschen und Vorstellungen zu beharren, ändert sowieso nichts an der Entscheidung. Die ist gefallen! Die Empfehlung an Jürgen einige Seminare zu besuchen, war der berühmte „Wink mit dem Zaunpfahl“. Seine fehlerhafte Interpretation kann dazu führen, dass er sich in diesem Unternehmen alle Zukunftschancen verbaut.

Problemlösungen

Es gilt zu vermeiden, dass alles nach unseren Plänen, Ideen, Wünschen und Vorstellungen laufen muss. Denn, es treffen auch hier zwei Weltmodelle aufeinander: der Mensch, der wünscht – und der Mensch, der entscheidet. Oftmals vereinfacht es unser Leben, wenn wir weniger Wünsche = Erwartungen haben.

Wer Erwartungen wie Jürgen hat, kann sehr enttäuscht werden. Und Enttäuschungen haben häufig die Tendenz zu einem Verhalten, dass nicht vernünftig ist.

Wir neigen dann zu irrationalem Verhalten, das durchaus für uns selbst negative Konsequenzen haben kann.

Zudem dürfen wir auch das nicht vergessen! Indem Jürgen eine solche Reaktion auf die Entscheidung zeigt, wird sich der Personalleiter damit auch ein „Bild“ von Jürgen machen, wie er mit „Rückschlägen“ oder „Entscheidungen“ umgeht.

Unser Leben wird erfahrungsgemäß viel leichter und entspannter, wenn wir nur ganz wenige oder besser gar keine Erwartungen haben, sondern, wie im Falle von Jürgen, neutral bleiben. Hätte der den Job ohne große Erwartungshaltungen bekommen, wäre die Freude riesengroß gewesen! Gleichzeitig wäre sein Ziel erfüllt worden!

Wie können wir besser reagieren?

Das Wichtigste ist zunächst, dass wir uns darüber klar werden, was Wahrnehmungen und Interpretationen sind. Wir müssen in unserem Leben die Sinne so schärfen, dass wir in unserem Alltag bei uns selbst erkennen, ob wir wahrnehmen oder interpretieren.

Wenn wir zunehmend in der Lage sind, im Alltäglichen diese Unterscheidungen zu erkennen, sind wird auch in der Lage vernünftig zu reagieren.

Dazu gehören insbesondere auch folgende Aspekte:

Wir Menschen haben alle nicht das identische Modell der Welt, sondern die Modelle weichen ab. Das unterscheidet uns! Trotz aller Unterschiede bemühen wir uns, mit unserem Verhalten eine gute Absicht zu verfolgen.

Die Hinweise oder Kritik von anderen Menschen, sollten wir keinesfalls als „Fehlerrückmeldung“ interpretieren, sondern als Feedback. Daraus können wir lernen.

Sehr wichtig ist, dass wir folgendes erkennen

Nicht so wie wir kommunizieren kommt es bei dem Empfänger an. Unsere Mitteilung kann anders ankommen als wir es meinen. Das Problem liegt dann bei uns, nicht beim Empfänger.

Wenn wir dazu neigen zu interpretieren, ist es sinnvoll und vernünftig, direkt nachzufragen, ob die Interpretation stimmig ist oder nicht.